Tora no maki - Der Tiger als Symbol des Shotokan-Stils

Shoto bedeudet "Pinienrauschen" - mit diesem Pseudonym unterzeichnete Funakoshi-sensei seine Kalligrafien

© 2002 A. Krause

Letzte Aktualisierung: Sonntag, 12. Januar 2003

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1. Das Problem

Früher oder später wird (fast) jeder Karateka durch sein Dõjõ  mit der Notwendigkeit konfrontiert einem Karate-Verband anzugehören.
Auf die Frage warum dies so sein muss, bekommt man entweder die Antwort, dass dies eben so sei oder aber es wird darauf hingewiesen, dass das Ablegen von international anerkannten Prüfungen oder der Anschluss an überregionale Lehrgänge oder größere Wettkämpfe nur über die Mitgliedschaft in einem Verband möglich sei. 

Das klingt auf den ersten Blick verständlich, ist aber mitunter eine folgenschwere Entscheidung, von deren Reichweite der Unbedarfte nicht die Spur einer Ahnung hat.
Denn die Karate-Welt ist heillos zersplittert – nahezu ein dutzend Weltverbände beanspruchen den Gral der Weisen für sich. In Deutschland setzt sich das Durcheinander wie selbstverständlich fort, nach meiner letzten Zählung gibt es zehn Verbände oder Gruppierungen, die mit den unterschiedlichsten internationalen Organisationen zusammenarbeiten. 

Nun könnte man auf den Gedanken kommen, dass Wettbewerb schließlich das Geschäft belebe, also ein breites Angebot für den „Kunden“ (damit ist im folgenden der kleine Karateka im Dõjõ  gemeint) nur das Beste verheißt.
Dies ist aber leider nicht der Fall. Statt Wettbewerb herrscht weit verbreitete Ignoranz. Die anderen Verbände werden in der Regel gar nicht zur Kenntnis genommen.
Als „Kunde“ wird man spätestens dann mit dem Problem konfrontiert, wenn man den Anbieter wechselt, beispielsweise wegen eines Wohnortwechsels. Dann stellt man auf einmal mit entsetzen fest, dass die bisher abgelegten Gürtelprüfungen hier nicht mehr anerkannt werden – man muss diese wiederholen (oder zumindest die Prüfungsgebühren nachzahlen). Soweit im Bereich der Farbgurte vielleicht noch einmal Gnade vor Recht ergeht, so wird man aber spätestens bei der Anerkennung von Dan-Prüfungen größere Probleme bekommen. Hier wird von vielen Verbänden überhaupt nichts untereinander anerkannt. 
Unter Umständen bekommt man die gegenseitige Ignoranz auch bei Lehrgängen und Wettkämpfen zu spüren.

2. Die Suche nach den Ursachen 

Sucht man nach den Ursachen für diese Entwicklung, so stößt man zunächst auf eine Tatsache: Fast alle Organisationen, die heute in der Welt Shotokan-Karate verbreiten haben die gleichen Wurzeln.
Unser Karate-Stil wurde weltweit fast ausschließlich durch die Instruktoren der Japan Karate Association (JKA) verbreitet. Der allergrößte Teil von ihnen hat seine Wurzeln im berühmt berüchtigten anfangs von Nishiyama-sensei und dann von Nakayama-sensei geleiteten Instruktorenkurs der JKA.

In Deutschland wurde Shotokan durch die JKA-Instruktoren  Enoeda, Kanazawa und Kase 1965 erstmals vorgestellt (trotzdem wurde schon seit 1958 Karate geübt, hauptsächlich nach Büchern). Später wurde Ochi-sensei nach Deutschland entsandt.
Dan-Prüfungen wurden ursprünglich nur von den japanischen Lehrern abgenommen. Die Schüler bekamen ein Diplom aus Tokio.
Die Japaner beanspruchen dieses Monopol für sich. Jeder in ein Land entsandte JKA-Instruktor genießt dabei von der Zentrale Gebietsschutz. Dieses System funktionierte einige Jahre reibungslos.

In der Folgezeit wurde aber von der JKA ignoriert, dass es in den mittlerweile gegründeten nationalen Verbänden irgendwann auch fortgeschrittene Karatekas gab, die eigentlich auch das technische Niveau und die geistige Reife haben, um selber Prüfungen abzunehmen.
Zwar gab es und gibt es Danprüfungslizenzen der JKA für ausländische Instruktoren, die Anforderungen sind aber so hoch, dass  es für einen nicht in Japan lebenden Ausländer nahezu unmöglich ist, eine solche zu erlangen (Ausnahmen gab es wohl in den USA).
Soweit die nationalen Verbände dann doch eigene Prüfungen durchführten, wurden diese von der JKA nicht anerkannt. Wer eines der hochbegehrten JKA-Diplome haben wollte, war auf einen JKA-Instruktor angewiesen.
Nun ist unbestreitbar, dass ein JKA-Diplom in damaliger Zeit für einen gewissen Standard garantierte und andere Zertifikate oft begründete Zweifel an ihrem Anspruch aufkommen ließen. Allerdings gilt dies nur für die Zeit vor der einsetzenden Zersplitterung.

Bereits 1977 spaltete sich Hirokazu Kanazawa, einer der bedeutendsten Instruktoren der JKA von dieser ab. Die Einheit in der Shotokan-Welt ging entzwei. Ihm folgten eine ganze Anzahl namhafter japanischer Karatelehrer.
Andere ursprüngliche JKA-Instruktoren (z.B. Nishiyama, Kase, Shirai, Kawasoe) haben mittlerweile in vielen Ländern Verbände etabliert, die wenn überhaupt, dann nur noch eine lockere Verbindung zur JKA selbst haben.
Nach dem Tod von Nakayama-sensei 1987 kam es wegen Streitigkeiten um die Besetzung des freigewordenen Postens des "chief instructors" schließlich zur Spaltung der JKA in zwei Fraktionen (Nakahara- und Asai-Fraktion). Um das Recht den Titel der juristischen Person "Japan Karate Association" tragen zu dürfen, wurden in der Folgezeit langjährige juristische Grabenkämpfe geführt.
Diesen Kampf hat die Nakahara-Fraktion mit Sugiura-sensei als "chief instructor" und solch namhaften Instruktoren wie Tanaka, Ueki, Enoeda, Osaka und Ochi in ihren Reihen gewonnen.
Die heutige JKA ist diese (übrig gebliebene) Nakahara-Fraktion.
Die Asai-Fraktion hat sich wiederum dreifach gespalten in JKS (Asai u. Kagawa), Karate-no-Michi World Federation (Yahara) und JSKF (Abe).

Welche Ursachen hat die Zersplitterung der Japaner selber?
Wir können darüber als außenstehende nur spekulieren. Eine Rolle spielt dabei sicherlich die ohnehin bestehende Rivalität zwischen den Meistern gleicher Stufe, die sicherlich noch aus ihrer aktiven Wettkampfzeit herrührt. Eine andere Ursache ist mit Sicherheit die starke Stellung der etablierten Auslandsinstruktoren in den einzelnen Ländern, die vor jeglichem Wettbewerb auch durch japanische Instruktoren geschützt sind.
Ebendieser Protektionismus der JKA war auch für viele Schüler in den einzelnen Ländern ein großes Problem. Diese waren gezwungen bei dem für ihr Land zuständigen Instruktor die Prüfungen abzulegen. Somit fielen die Spaltungen in Japan in der ganzen Welt auf fruchtbaren Boden. Auch wenn dies substantiell keine Verbesserung bringt, da die neu gegründeten JKA-Ableger ebenfalls Alleinvertretungsrechte einführen.

Eine andere Ursache war die mit der Einführung von Karate-Wettkämpfen verbundene Tendenz zur absoluten Versportlichung des Karate, die ebenfalls zur Bildung von neuen, von der JKA unabhängigen Verbänden führte.  Die JKA und Nakayama-sensei haben zwar den Karate-Wettkampf in der Welt bekannt gemacht. Es wurde aber immer betont, dass der Wettkampf nur ein Aspekt des Karate-Dõ ist, nur ein Produkt des anstrengenden Trainings in Kihon, Kata und Kumite. In der westlichen Welt herrschte jedoch das leistungssportliche "Höher-, Schneller-, Weiter-Denken") vor. Dies führte zur Herausbildung des ausschließlich auf den Wettkampferfolg hinzielenden sportlichen Karate und fand seinen Höhepunkt in der Entwicklung des Kickboxens.
Dies erklärt zumindest die Spaltung in "Sportkarate"-Verbände und sogenannte "traditionelle" Verbände, wobei man über das Wort "traditionell" gehörig streiten kann.

3. Die Konsequenzen

Brauchen wir Verbände überhaupt?

Sicherlich liegen in der Schaffung von Prüfungsstandards, der Ausbildung von Qualifizierung der Karate-Lehrer, dem Abhalten von überregionalen Lehrgängen und vielleicht auch Wettkämpfen gute Gründe für die Schaffung einer organisatorischen Einheit.

Als solche, wurde Verbänden ursprünglich eine dienende Funktion zugedacht: sie sollten Dienstleister für ihre Mitglieder sein.
Die Frage, die man sich also als Mitglied eines jeden Verbandes stellen sollte, lautet daher:

"Ist mein Verband für mich da, oder bin ich nur für meinen Verband da?"

oder:

"Ist unser Verband für unser Dojo da, oder ist unser Dojo nur für unseren Verband da?"

oder (Version für nationale Verbände):

"Ist unser Weltverband für uns da, oder sind wir nur für den Weltverband da?"

Ein Verband hat keinen Wert aus sich selbst heraus. Sein Wert erwächst aus dem, was er für seine Mitglieder tut. Hinter jedem Verband allerdings stehen Personen, die diesen leiten Solange diese sich an der Förderung des Karate-Dõ  im Interesse ihrer Mitglieder orientieren, wird man den ersten Halbsatz der Fragen mit ja beantworten können. Wenn die Verbandsführung allerdings den Verband nur als Werkzeug für eigenen persönlichen Interessen benutzt, so sollte man sich ernsthaft Fragen, welche Konsequenzen man daraus ziehen sollte.
Wenn ein Verband den Willen seiner Mitglieder ignoriert, so sollte er auch ihren Zorn zu spüren bekommen. Wenn man allerdings für offene Meinungsäußerungen angefeindet wird, dann man getrost sicher sein, dass man im falschen Verband ist.

Um gleich einem Mißverständnis vorzubeugen: In der Kunst selber kann es keine Demokratie und keine Diskussionen geben! Hier wird Kampfkunst geübt. Jeder muss dem Lehrer Folge leisten, bei dem er trainiert oder gehen. Karate-Verbände existieren aber außerhalb des Dõjõ und haben mit dem Weg der leeren Hand nichts, aber auch gar nichts zu tun! Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe! 

Wer in einem Verband Verantwortung hat, der sollte sich, bevor er vorschnell die Leistung anderer abtut, darauf besinnen, dass fast alle Shotokan-Verbände die gleichen Wurzeln haben.
In den letzten Jahren ist hier immerhin schon eine Besserung eingetreten, da Mitglieder anderer Verbände (zumindest in Deutschland) kaum noch von den Lehrgängen anderer Verbände ausgeschlossen werden.
Das ist zumindest ein Lichtschimmer.
JKA-Karate ist heute vielmehr als das Karate einer speziellen Organisation. Es ist bezeichnend für die Karatestilrichtung Shotokan, so wie sie durch die JKA seit Anfang der 60ziger Jahre des letzten Jahrhunderts in der ganzen Welt verbreitet wurde. Heute wird dieses Karate nicht mehr nur von der JKA verbreitet!
Man sollte sich davor hüten und die Berechtigung von Prüfungen anderer Verbände anzweifeln. Jeder selbst weiß, ob er sich seine Graduierung im Schweiße seines Angesichts verdient hat, oder sie geschenkt bekommen hat. Die Beantwortung dieser Frage steht keinem Karate-Funktionär und keiner Organisation pauschal zu.

Eine Übersicht welche Verbände JKA-Karate betreiben, bekommt man bei shotokanworld.com.

Eine bitterböse Abrechnung mit der Existenz von Verbänden ist in Englisch beim Shotokan-Planet von Rob Redmond zu finden. Hier werden auch Alternativen für eine Leben ohne Verbände gezeigt.

A.Krause

Ein Hinweis zum Abschluss:

Dieser Artikel sollte auf Gefahren hinweisen, die aus der Verselbständigung von Organisationsstrukturen drohen und ist daher bewußt teilweise überspitzt formuliert.
Alle diejenigen, die jetzt entrüstet behaupten werden, dass es in ihrem Verband derlei Probleme nicht gibt, man vielmehr offen und demokratisch handelt, die sollen froh sein und aufpassen, dass sich dies nicht eines Tages ändert. 

Kalligrafie v. Funakoshi-sensei: "Hatsuun Jindo" - Laß die Wolken ziehen, geh deinen Weg.

Kalligrafie von Gichin Funakoshi:
"Laß die Wolken ziehen, geh Deinen Weg!"

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